Was ist der EuroContact?
Der EuroContact ist ein internationales Begegnungsseminar für Menschen mit und ohne Behinderung
und wird jährlich vom Kölner Verein EuroContact e.V. in Kooperation mit der evangelischen
Jugendbildungsstätte Nordwalde und der Universität zu Köln veranstaltet.
Zwölf Tage im Sommer kommen die jungen Erwachsenen aus verschiedenen europäischen Ländern zusammen.
Die Idee zu diesem seit mehr als 40 Jahren bestehenden Projekt, entstand aufgrund der Erkenntnis,
dass im Freizeit-und außerschulischen Bildungsbereich gemeinsame Angebote für junge Menschen
mit und ohne Behinderung nur sehr selten zu finden sind.
Wer nimmt am EuroContact teil?
Am EuroContact nehmen ca. 60 junge Menschen teil, inklusive eines 20-köpfigen pädagogischen
Teams. Die Gruppe setzt sich zusammen aus TeilnehmerInnen ohne Behinderung und
TeilnehmerInnen mit verschiedensten Beeinträchtigungen im motorischen, psychischen oder sozialemotionalen
Bereich, ebenso vertreten sind Menschen mit geistiger Behinderung.
Die TeilnehmerInnen kommen aus verschiedenen europäischen Ländern, unter anderem aus
Luxemburg, Polen, Russland, der Ukraine, Deutschland und Ungarn. Die ausländischen
Partnerorganisationen sind Institutionen oder Vereine, die in ihrer Heimat hauptsächlich lokal oder
regional aktiv sind. Es handelt sich beispielsweise um Selbsthilfeorganisationen für Menschen mit
Behinderungen. Diese Vereine bzw. Institutionen entsenden Gruppen zum EuroContact,
in der Regel zwischen 5 und 15 Personen pro Nation. Die Gruppe aus Polen setzt sich aus Deutsch
lernenden SchülerInnen eines Warschauer Gymnasiums zusammen. Aus Deutschland reisen
TeilnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten, geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen an.
Darüber hinaus sind wir stets bemüht, auch TeilnehmerInnen aus anderen (europäischen) Ländern zu
gewinnen. Seit vier Jahren kommt eine Kooperation mit einer Einrichtung für Flüchtlinge in Köln
zustande.
Welches Konzept steht hinter dem EuroContact?
Bei der Initiierung von Prozessen gemeinsamen Lebens und Lernens kann grundsätzlich von
gemeinsamen Grundbedürfnissen aller jungen Menschen ausgegangen werden. Dieser Gedanke liegt
der Idee und der Konzeption des EuroContacts zugrunde. Der Weg diese Bedürfnisse auszuleben
kann allerdings individuell sehr unterschiedlich sein. Er wird u.a. vom sozialen und kulturellen Umfeld
mitbestimmt und ist bei Menschen mit einer Behinderung deutlich von den Erfahrungen des Lebens
mit einer Behinderung geprägt.
Die Ziele
Das Konzept des EuroContact gründet sich auf drei zentrale Ziele: Partizipation, Inklusion und
Interkulturelles Lernen.
Partizipation
Die TeilnehmerInnen sind dazu aufgefordert, im Rahmen ihrer Möglichkeiten aktiv Verantwortung
für die Gestaltung und damit auch für das Gelingen des EuroContacts zu übernehmen. Das bedeutet,
dass die TeilnehmerInnen ihre eigenen Ideen einbringen, dass sie miteinander in einen Prozess des
Austauschs kommen, Vorschläge diskutiert werden, Entscheidungen gemeinsam so ausgehandelt
werden und dass sie von allen gleichermaßen mitgetragen werden. Durch dieses aktive Mitgestalten
können die TeilnehmerInnen sich als wichtiger Teil eines Ganzen fühlen, die persönliche Motivation
wird herausgefordert und die Identifikation mit dem Projekt gesteigert.
Darüber hinaus stärkt das Prinzip der Partizipation das soziale Miteinander. Das gemeinsame
Verwirklichen von thematischen Vorhaben oder das gemeinsame Planen von Freizeitaktivitäten
erfordert vom Einzelnen, andere Meinungen als die eigene auszuhalten –Kooperations- und
Kompromissfähigkeit sind nötig. Insgesamt fördert ein gelungener Partizipationsprozess die
gegenseitige Wertschätzung der Beteiligten mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten. Die
Selbstständigkeit der TeilnehmerInnen wird durch ein hohes Maß an Teilhabe begünstigt und, indem
sie ihre eigenen Ideen verwirklichen, können sie sich als selbstwirksam erfahren.
Das Ziel Partizipation zu ermöglichen sorgt dafür, dass jeder EuroContact anders ist, da dieser jedes
Jahr durch eine andere Studierenden- und TeilnehmerInnengruppe geprägt ist.
Inklusion
Das Ziel der Inklusion verfolgt der EuroContact auf mehreren Ebenen. Junge Erwachsene mit
unterschiedlichsten Voraussetzungen und Behinderungen kommen zusammen mit Menschen ohne
Behinderung. Der Umgang mit dieser Unterschiedlichkeit der Biographien ist grundlegendes Prinzip
der pädagogischen Arbeit. Inklusion wird als Idee gemeinsamer Lebens-und Lernfelder für Menschen
mit und ohne Behinderung verstanden -eine Horizonterweiterung für alle Beteiligten. Das Programm
des EuroContacts wird konsequent so gestaltet, dass alle ihren Interessen und Voraussetzungen
gemäß teilhaben können. Jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin soll sich als wichtig für die
Gemeinschaft erfahren können.
Gelebte Inklusion im Rahmen des EuroContacts ermöglicht es TeilnehmerInnen mit und ohne
Behinderung eine andere Normalität zu erfahren. Die gleichberechtigte Verschiedenheit aller ist
grundlegendes Prinzip und in dieser Form für viele eine neue und ungewöhnliche Erfahrung. Dies gilt
sowohl für TeilnehmerInnen mit geistiger Behinderung, deren Lebenswelt sich auf sie spezialisierte
Institutionen beschränkt, als auch für TeilnehmerInnen aus den osteuropäischen Ländern, für die die
Begegnung, der Austausch und das Zusammenarbeiten mit Menschen mit geistiger Behinderung oft
etwas zunächst Ungewohntes und Befremdliches ist. Wichtig ist aber, dass durch die erfahrene
Wirklichkeit, dass es normal ist, in vielerlei Hinsicht verschieden zu sein, ein Perspektivwechsel
angestoßen werden kann. Die Sicht aufeinander verändert sich, der Mensch rückt in den Mittelpunkt
und die Behinderung ist nicht mehr erstes Beurteilungs-und Wahrnehmungskriterium. Hierzu das
Zitat eines 17-jährigen Teilnehmers mit emotional-sozialem Förderbedarf nach einigen Tagen beim
EuroContact: „Ich seh’ die Rollstühle unter den Ärschen nicht mehr“.
Interkulturelles Lernen
Die TeilnehmerInnen des EuroContacts kommen aus verschiedenen Ländern und Kulturen. Auffällig
viele Gruppen von Menschen mit einer Körperbehinderung reisen aufgrund mangelnder Alternativen
aus dem osteuropäischen Raum an. In der gemeinsamen Gestaltung des EuroContacts geht es auch
unter interkulturellen Gesichtspunkten darum, Verschiedenheit als Potential zu betrachten und den
Umgang mit Unterschiedlichkeit produktiv zu nutzen. Interkulturelle Lernprozesse zeichnen sich in
diesem Rahmen dadurch aus, dass Kenntnisse über andere Länder im persönlichen Kontakt
erworben werden können und dass eine Auseinandersetzung mit anderen Lebensweisen stattfinden
kann. Der Austausch von Sichtweisen und die Reflexion von Gemeinsamkeiten und Unterschieden
kann als bereichernd für alle Beteiligten erfahren werden. Insbesondere gemeinsam gestaltete
Erlebnisse und gemeinsames thematisches Arbeiten schaffen hier eine gute Basis, ebenso wichtig
sind die informellen, persönlichen Momente der Begegnung.
Digitaler EuroContact 2021 unter Corona Bedingungen
Die durch die Pandemie vorangetrieben Digitalisierung unserer Gesellschaft eröffnet und verlangt dieses Jahr eine Erweiterung der Grundsäulen – Inklusion, Partizipation, interkulturelle Bildung - des EuroContacts auf diverse digitale Ebenen. So ermöglichen wir Teilnehmer*innen aus verschiedenen Ländern an einem dreitägigen, digitalen Begegnungs- und Austauschseminar für Menschen mit und ohne Behinderung teilzunehmen und Kontakt zu halten.
Studierende der Universität zu Köln hatten die Möglichkeit sich im Rahmen der Vorbereitung des europaweiten Begegnungsseminars über ein Semester auf Grundlagen des humanistischen Menschenbildes und der Säulen Partizipation, Inklusion, sowie interkulturelle Bildung aktiv mit den Herausforderungen eines digitalisierten Bildungsangebots auseinanderzusetzen. Dabei konnten viele verschiedene digitale Methoden kennengelernt und in der Durchführung aktiv erprobt werden.
Im Jahr 2021 nahmen ca. 40 junge Menschen aus den verschiedenen Ländern ab 16 Jahren am digitalen EuroContact teilnehmen. Sie hatten die Möglichkeit aus unterschiedlichen Angeboten zu wählen. Neben den Programmelementen Freizeitangebote, Informeller Austausch und Party, boten die Studierenden unter dem Motto „EuroContact 2021 –Space Groove“ drei Workshops in den Themenfeldern „Kunst“, „Sport“ und „Spiel“ an.
Auch dieses Jahr zeichnete sich der EuroContact durch viel Raum für Mitbestimmung und Mitgestaltung durch die Teilnehmenden aus. Hierbei basierte die inhaltliche Gestaltung des digitalen EuroContacts auf den Ergebnissen des EuroContact-Rates 2019. Der EuroContact-Rat ist ein demokratisches Organ, welches die Ideen der teilnehmenden aufnimmt, um den EuroContact stets dynamisch weiterzuentwickeln.
Seit 2020 wurden die Öffentlichkeitsarbeit und die Kontaktaufnahme, passend zur digitalen Durchführung, besonders über soziale Medien wie Facebook und Instagram gestaltet. So hatten die Teilnehmenden auch im Vorfeld die Möglichkeit sich aktiv an der Gestaltung der Angebote zu beteiligen.